Adoptions- und Pflegekinderwesen

So wird man zu Pflegeeltern

Um Pflegeeltern werden zu können, müssen sich Interessierte in einem „Bewerbungsverfahren“ bewähren. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein Vorstellungsgespräch, in dem man sich besonders gut „verkaufen“ muss. Uns geht es darum, Sie in Ihrem Alltag kennenzulernen, um gemeinsam herauszufinden, welche Kinder oder Jugendliche zu Ihnen passen. Grundsätzlich suchen wir die am besten passendste Familie für die zu vermittelnden Minderjährigen und nicht umgekehrt!

So unterschiedlich wie die Pflegekinder sind auch die Pflegeeltern. Um ein Pflegekind bei sich aufnehmen zu können, spielt es keine Rolle, ob Sie verheiratet, alleinstehend oder in gleichgeschlechtlicher Beziehung leben. Ebenfalls können Sie auch dann ein Pflegekind bei sich betreuen, wenn Sie eigene Kinder haben. Natürlich muss dann aber auf die leiblichen Kinder besondere Rücksicht genommen werden. Gleiches gilt für weitere Haushaltsmitglieder, z. B. die eigenen Eltern.

Wenn Kinder auf Dauer in Pflegefamilien aufwachsen, sollte ein Eltern-Kind entsprechender Altersabstand bestehen. Deshalb sollten Pflegeeltern zum Zeitpunkt der Volljährigkeit eines Pflegekindes nicht älter als 65 Jahre sein.

Da Kinder viel Platz zum Toben, Spielen und Lernen benötigen, muss ein ausreichender Wohnraum bestehen. Für die meisten Pflegekinder ist ein eigenes Zimmer wichtig, denn sie brauchen Rückzugsmöglichkeiten.

Alle Pflegeeltern müssen in stabilen finanziellen Verhältnissen leben. Somit dürfen Sie nicht finanziell vom Pflegegeld abhängig sein, das Ihnen monatlich als Unterhaltsleistung des Kindes zur Verfügung steht.

Sie müssen körperlich und psychisch belastbar sein. Bestehende Krankheiten dürfen sich nicht negativ auf die Versorgung und Fürsorge eines Pflegekindes auswirken.

Zu bedenken gilt, dass Pflegekinder aufgrund ihrer bisherigen Lebensgeschichte, viel Zeit und besondere Zuwendung von Ihnen benötigen. Dies ist nicht immer mit der Vollzeit-Berufstätigkeit eines Pflegeelternteils vereinbar.

Für Pflegekinder ist es wichtig, dass sie Familie erfahren können. Daher dürfen und müssen Sie Ihnen Liebe und Beziehung schenken.

Doch auch die Beziehung zu den leiblichen Eltern ist für Pflegekinder wichtig. Es ist daher Aufgabe aller Pflegeltern, die Herkunft ihres Pflegekindes zu würdigen und Kontaktwünsche zu unterstützen. Kontakte zur Herkunftsfamilie gestalten sich individuell (postalisch, telefonisch, persönlich) und orientieren sich in Art und Umfang immer am Wohl des Pflegekindes. Nur in ganz besonderen Einzelfällen (z. B. bei sexuellem Missbrauch) sind die Kontakte zur Herkunftsfamilie ausgesetzt. Grundsätzlich gilt jedoch: Umgänge finden niemals im Haushalt der Pflegeeltern statt!

Pflegekinder stammen aus Familien, die die Versorgung, Fürsorge und Erziehung ihrer Kinder nicht mehr ausreichend gewährleisten konnten. Dies hinterlässt Spuren, die sich auch im Alltag mit Pflegekindern zeigen, z. B. durch Ängste, Aggressionen, Entwicklungsverzögerung und viele weitere. Daher ist die Erziehung eines Pflegekindes auch nicht mit der eines leiblichen Kindes vergleichbar.

Um den Pflegekindern negative Folgen ihrer bisherigen Lebenserfahrung zu nehmen oder zu mildern, ist Ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Jugendamt und weiteren Institutionen (z. B. Psychologen, Förderschulen, Beratungsstellen) erforderlich.

Der Ablauf des Bewerberverfahrens

Wenn Sie Interesse an der Aufnahme eines Pflegekindes haben, setzen Sie sich mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Pflegekinderwesens des Landkreises Eichsfeld in Verbindung:

Landkreis Eichsfeld
Jugendamt
Leinegasse 11
37308 Heilbad Heiligenstadt

Tel.: 03606 650-5101
E-Mail: jugendamt@kreis-eic.de

Nach der Kontaktaufnahme läuft das Bewerbungsverfahren dann wie folgt ab:

1. Erstgespräch

Hier können Sie sich erste Informationen einholen, Fragen stellen und über Ihre Absicht der Aufnahme mit uns sprechen. Wir werden Sie hier im Allgemeinen über die wichtigsten Dinge informieren (z. B. Formen der Vollzeitpflege, Situation von Pflegekindern usw.), um Ihnen einen Kurzüberblick zu verschaffen. Dann erhalten Sie Zeit, in Ruhe nachzudenken, ob Sie Ihren Wunsch weiter verfolgen möchten.

2. Start der Bewerbungsphase

Möchten Sie nach Ihrer Bedenkzeit den Weg zur Pflegeelternschaft fortsetzen, beginnt das eigentliche Bewerberverfahren. In mehreren Gesprächen, sowohl bei Ihnen zu Hause, als auch im Jugendamt, werden wir Sie auf Ihre Tätigkeit als Pflegeeltern vorbereiten. Diese Termine werden gewöhnlich von 2 Fachkräften durchgeführt. Hier besprechen wir im Detail alle wichtigen Aspekte der Vollzeitpflege. Nach Abschluss dieses Prozesses sollten Sie Gewissheit darüber haben, ob Sie ein Pflegekind betreuen möchten und wenn ja, wo Sie Ihre persönlichen Stärken und Grenzen sehen. Generell gilt: Es gibt kein Richtig oder Falsch!

Innerhalb dieser Phase holen wir über verschiedene Unterlagen die notwendigen Informationen ein, um Ihre persönliche Eignung als Pflegeeltern prüfen zu können. Hierzu gehören ausnahmslos:

  • Gesundheitszeugnis Ihres Hausarztes
  • Einkommensnachweise
  • Angaben über Ihre persönlichen Verhältnisse (Einkommen, monatliche Fixkosten usw.)
  • erweitertes Führungszeugnis
  • Fragebogen zu Ihren Wünschen und Vorstellung betreffend eines Kindes und dessen Familie
  • Lebensbericht (enthält Lebenslauf und Angaben zur eigenen Kindheit)

3. Pflegeeltern-Seminar

Durch den Sozialdienst katholischer Frauen e. V. wird regelmäßig ein vertiefendes Pflegeeltern-Seminar angeboten. Die Teilnahme an dieser Veranstaltung ist für alle Bewerberinnen und Bewerber vor der Aufnahme eines Kindes verpflichtend. Dieser Kurs soll Sie auf das Leben als Pflegefamilie vorbereiten und Ihnen die Möglichkeit bieten, sich selbst einschätzen zu können.

4. Feststellung der Eignung und Abschluss des Verfahrens

Am Ende des Bewerberverfahrens erhalten Sie eine Rückmeldung, für welche Fallkonstellationen wir Sie für geeignet halten. Diese Einschätzung ergibt sich aus einem mehre Monate andauernden und standardisierten Prozess.

Wann ist man „persönlich geeignet“?

Die Eignung setzt sich aus verschiedenen Kriterien zusammen. Grundsätzlich müssen Ihre Persönlichkeit und die von Ihnen mitgebrachten Rahmenbedingungen mit dem Aufnahmewunsch stimmig sein. Wir setzen grundlegend voraus, dass

  • Sie in stabilen finanziellen Verhältnissen leben und nicht vom Pflegegeld abhängig sind.
  • Sie körperlich gesund sind bzw. bestehende Erkrankungen sich nicht negativ auf die Betreuung von Pflegekindern auswirken.
  • Sie psychisch gesund und stabil sind. Wenn ehemals psychische Probleme bestanden haben (z.B. Burnout), müssen diese austherapiert sein.
  • Sie nicht vorbestraft sind.
  • Sie als Paar beide ein Pflegekind unterstützen möchten.
  • Kinder und andere Haushaltsmitglieder Ihrem Aufnahmewunsch zustimmen.
  • bei bestehender Pflege von Angehörigen, diese mit der Tätigkeit als Pflegeeltern vereinbar ist.
  • Sie über einen angemessenen Wohnraum verfügen.

Neben diesen Aspekten bestehen weitere persönliche Ausschlusskriterien, wie:

  • Dankbarkeitserwartung gegenüber dem Pflegekind
  • Rein materielle oder sonstige unstimmige Aufnahmemotivationen
  • Fehlende Mitwirkungsbereitschaft bezüglich Jugendamt und Hilfeprozess
  • Ablehnung der Herkunftsfamilie

Über Pflegekinder

Die Kinder- und Jugendhilfe unterstützt über vielseitige Hilfeformen Familien in unterschiedlichsten Problemlagen. Dabei wird grundsätzlich versucht, jedem Kind den Aufenthalt in seiner Familie aufrechtzuhalten. Dies ist aufgrund besonders schwerwiegender Defizitsituationen zum Schutz der Kinder oder Jugendlichen vorrübergehend oder auf Dauer nicht immer möglich.

Solche besonders gefährdenden Momente entstehen z. B. durch schwerwiegende Vernachlässigung der Erziehungsberechtigten. In diesen Familien unterlassen die Kindeseltern das fürsorgliche Handeln, das für das physische (z.B. geregelte Wohnverhältnisse, finanzielle Stabilität usw.) oder psychische Wohl (Loben, Spielen, Fördern, Beziehung anbieten, liebevolle Konsequenz) ihres Kindes notwendig wäre. Aber auch massive körperliche, seelische oder sexuelle Gewalt kann für die Unterbringung eines Kindes ursächlich sein.

Um in solchen belastenden Situationen überleben zu können, entwickeln die Kinder individuelle Handlungsstrategien – Verhaltensauffälligkeiten. Denn nur so können sie ihre Grundbedürfnisse erhalten. So kann ein Kleinkind z. B. lernen, dass es beim Weinen nicht getröstet wird. Stattdessen wird es angeschrien. Wenn es sein Weinen jedoch unterdrückt, sich also dem Bedürfnis der Eltern nach „Ruhe“ unterwirft, erfährt es die Aufwertung, die es ursprünglich wollte. Im Kern erfahren die Kinder also, dass sie durch authentisches Verhalten ihre Grundbedürfnisse nicht erhalten und sich deshalb ihrer besonderen Lebenssituation anpassen müssen.

Es besteht daher bei allen Pflegekindern ein erhöhter erzieherischer Bedarf, denn diese Anpassung nehmen sie in ihre Pflegefamilie mit. Grundsätzlich sind Kinder nicht in der Lage, das Handeln ihrer Eltern zu hinterfragen – oft geben sie sich selbst die Schuld hierfür. Hinzu kommt, dass die Minderjährigen denken, dass sich Pflegeeltern genau so verhalten, wie die leiblichen Eltern.

Durch die liebevolle Beziehung der Pflegestelle erhalten die Minderjährigen korrigierende Bindungserfahrungen. Über diesen langjährigen Prozess, der nicht immer mit der Volljährigkeit abgeschlossen werden kann, lernen die Kinder oder Jugendlichen, sich nicht mehr anpassen zu müssen – können also ihre Auffälligkeiten abstellen.

Für diesen Prozess ist es umso wichtiger, dass Pflegeeltern ein Verständnis für die Situation der Herkunftseltern entwickeln und diese nicht blind verachten. Nur so vermeidet man das Entstehen von Loyalitätskonflikten und bietet den Kindern den nötigen Rahmen, eigene Erfahrungen machen zu können. Häufig haben die Kindeseltern selbst negative Kindheitsverläufe erlebt, handeln also nicht aus Böswilligkeit. Es ist gemeinsame Aufgabe von Pflegeeltern und Jugendamt den Pflegekindern zu ermöglichen, das Verhalten ihrer Eltern einzuordnen (z. B. ich habe keine Verantwortung). So sollen die Kinder lernen mit ihren nicht-perfekten Eltern umzugehen.

Viele Pflegekinder lebten vor der Vermittlung in eine Pflegestelle in Kinder- und Jugendheimen oder sonstigen Wohngruppen. Oft ging der Vermittlung ein langjähriger Hilfeprozess des Jugendamtes voraus.

Pflegekinder sind nicht nur Neugeborene oder Kleinkinder – auch ältere Kinder und Jugendliche brauchen liebevolle Pflegeeltern. Gleiches gilt für Geschwister, die nur in  Ausnahmefällen getrennt werden.

Vor der Aufnahme eines Pflegekindes werden Sie immer so ausführlich wie möglich über dessen Biografie und individuellen Besonderheiten informiert.

Formen der Vollzeitpflege

Unterschieden wird die Vollzeitpflege durch zwei verschiedene Perspektiven:

Die ergänzende Vollzeitpflege unterstützt die Herkunftseltern durch eine vorübergehende Aufnahme ihres Kindes. Steht die Rückführung terminlich fest, so handelt es sich um eine Kurzzeitpflege. Solche Konstellationen entstehen z. B., wenn ein alleinerziehender Elternteil für 2 Wochen ins Krankenhaus muss und keine familiäre Unterstützung vor Ort ist. Die Vollzeitpflege endet dann mit Tag der Entlassung und steht somit von Beginn an fest.

In anderen Fällen wird die Rückführung des Kindes verfolgt. Hier dauert die Hilfe an, bis die leiblichen Eltern festgesetzte Bedingungen des Jugendamtes nachweislich erfüllen, z. B. Drogenentzug und Langzeittherapie oder saubere Wohnverhältnisse. Eine Rückführung findet nur dann statt, wenn sie dem Kindeswohl dienlich ist. So kann eine ursprünglich geplante Rückführung durch die Eltern scheitern oder das Kind hat sich inzwischen so tief bei der Pflegefamilie verwurzelt, dass es die Rückführung nicht wünscht.

Bei der ersetzenden Vollzeitpflege lebt das Kind dauerhaft, also mindestens bis zum Eintritt der Volljährigkeit in seiner Pflegestelle. Hier sind die Erziehungsdefizite innerhalb der Herkunftsfamilie so schwer, dass eine Rückführung ausgeschlossen ist. Fallkonstellationen können z. B. massive Gewalterfahrungen des Kindes sein.

Unabhängig von der Form der Vollzeitpflege erhalten alle Kinder in irgendeiner Form Kontakt und Umgang zur leiblichen Familie (postalisch, telefonisch und/oder persönlich). Die Kontaktgestaltung wird für jedes Kind individuell nach dessen Bedürfnis festgelegt. Nur in besonders schweren Ausnahmefällen werden Kontakte vorübergehend oder vollständig durch das Familiengericht ausgesetzt.

Das Leben in Pflegefamilien

Nach der Aufnahme eines Pflegekindes unterscheidet man 3 Phasen, die in Intensität und Dauer je nach Fallgeschichte variieren und sich nicht fest von einander abgrenzen lassen:

Zu Beginn befinden sich die Kinder in der Anpassungsphase:

Hier zeigen die Kinder noch keine Auffälligkeiten, sondern verstellen sich. Oft sind Pflegeinder in dieser ersten Phase übermäßig gehorsam und ruhig. Die Anpassung dauert solange an, bis die Minderjährigen Vertrauen zu ihrer Pflegefamilie aufgebaut haben: Ich kann hier so sein wie ich bin und werde trotzdem geliebt.

Die Phase der Übertragung:

Wie es der Name erahnen lässt, übertragen die Pflegekinder ihre Erfahrungen aus der Herkunftsfamilie nun auf die Pflegestelle. Ein Kind das z. B. bei aggressiven Kindeseltern aufwuchs geht automatisch davon aus, dass sich auch die Pflegeeltern aggressiv verhalten werden. Dadurch wird es seine erlernten Anpassungsstrategien – Verhaltensauffälligkeiten – nun auch wieder anwenden. Diese Phase stellt die Pflegefamilie vor viele Herausforderungen. Grundsätzlich dauert es einige Jahre bis ein Pflegekind versteht, dass das Handeln der eigenen Eltern negativ war, dass es daran keine Schuld hatte und dass die Pflegeeltern nun anders mit ihm umgehen. Dieser Prozess stellt die Kernleistung der Vollzeitpflege dar. Oftmals denken Pflegeeltern etwas falsch zu machen, da sich die Kinder auf einmal schlimmer verhalten als vorher. Dem ist nicht so! So schwierig diese Phase auch sein kann, ist sie der größte Liebesbeweis des Pflegekindes: Ich vertraue dir so sehr, dass ich mich nicht mehr verstellen muss.

Die Phase der Regression:

Diese mischt sich mit der Übertragungsphase und kann immer wieder mal auftreten und verschwinden. Hier fallen die Pflegekinder in frühkindliche Entwicklungsphasen zurück und holen so das nach, was sie in ihrer Herkunftsfamilie nicht erfahren haben. Die Kinder sind dann z. B. altersuntypisch „kuschel-bedürftig“ und verhalten sich vorübergehend wie Kleinkinder. Diesem Bedürfnis der Kinder sollte in einem begrenzten Rahmen stattgegeben werden.

 

Der Alltag in Pflegefamilien:

Der Familienalltag unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von dem einer regulären Familie: Wecken, Frühstück, Kindergarten oder Schule, gemeinsame Freizeit, Regeln und Konsequenzen. Allerdings müssen sich Pflegefamilien speziell auf die Bedürfnisse ihres Pflegekindes einstellen.

Viele der Kinder benötigen einen klar strukturierten Tagesablauf, der mit zahlreichen Ritualen versehen wird. Abhängig von der bisherigen Lebensgeschichte des Kindes können eigentlich simple Dinge zu komplizierten Angelegenheiten werden: Z. B. die Körperpflege, bei der das Kind nicht immer altersentsprechend selbstständig ist und viel mehr Begleitung und Anleitung benötigt, als es sein Alter vermuten lässt. Auch in der Erziehung benötigen die Pflegekinder liebevolle Konsequenz.

Nicht selten stehen für die Minderjährigen wöchentlich viele Termine an, wie z. B. Therapie, Frühförderung, Arztbesuche, Umgang oder Telefontag mit den Eltern. In der Regel sind solche Zusatzangebote für das Wohl unserer Kinder nötig.

In einem 6-Monats-Rhythmus wird das Jugendamt mit den Pflegeeltern, den Kindeseltern und anderen wichtigen Personen im Leben des Kindes (z.B. Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer usw.) die Hilfeplanung durchführen. Hier wird der aktuelle Stand erörtert und gemeinsame Ziele für die Hilfe werden gesetzt bzw. deren Erfüllung überprüft. Alle wichtigen Angelegenheiten werden hier besprochen. Abseits der Hilfeplanung haben Sie je nach Fallintensität Kontakt zur fallführenden Fachkraft, die Sie bei Problemen und Fragen auch jederzeit selbst kontaktieren können.

Der Ablauf einer Vollzeitpflege

Der Pflegekinderdienst bemüht sich, einen Pool an geprüften Pflegebewerbern vorzuhalten. Ist eine Vermittlung für ein Kind oder Jugendlichen angedacht, entscheiden die Fachkräfte zusammen, ob eine geeignete freie Pflegestelle vorliegt. Grundsätzlich suchen wir die am besten passende Pflegefamilie.

Folgender Ablauf entsteht dann von Anfang bis Abschluss der Hilfe:

1. Anfrage einer freien Pflegestelle

Wir informieren die aus unserer Sicht geeigneten Bewerber anonym über den Fall und versuchen so detailliert wie möglich, die Situation des Kindes zu schildern

  • Was ist die Perspektive der Hilfe?
  • Wie ist die Situation der Eltern?
  • Wie könnten Umgänge künftig aussehen?
  • Welche Stärken und Schwächen bringt der Minderjährige mit?

Die Bewerber erhalten dann Zeit sich zu beraten. Nach positiver Rückmeldung beginnt die Anbahnung.

2. Kontaktanbahnung zum vermittelnden Kind oder Jugendlichen

Zu Beginn wissen die jüngeren Kinder nicht, dass sie in eine Pflegestelle vermittelt werden. Wir versuchen, den Bewerbern Situationen zu ermöglichen, in denen sie das Kind natürlich (also nicht angepasst) erleben können, um festzustellen ob die „Chemie“ stimmt. So können z. B. die Bewerber „zufällig“ auf demselben Spielplatz sein, wie das Kinderheim gerade auch. Wenn die Bewerber einschätzen, dass es menschlich genau so passt, wie die vom Kind mitgebrachten Rahmenbedingungen, wird der Kontakt intensiviert. Da die Kinder von der geplanten Vermittlung nicht wissen, erfahren sie keine Zurückweisung, sollten die Bewerber einschätzen dass es nicht zu einer Vermittlung kommen wird. Ältere Kinder (ab ca. 4 Jahre) werden über die mögliche Vermittlung kindgerecht aufgeklärt, da auch sie ein Entscheidungsrecht haben und die potentiellen Pflegeeltern mögen müssen.

3. Intensivierung des Kontakts

Nun finden weitere Kontakte mit dem Minderjährigen statt, die stetig in Intensität und Umfang gesteigert werden: Aus einem einstündigen Besuch wird ein Nachmittag, aus diesem dann eine Übernachtung. So sollen die Kinder oder Jugendlichen langsam in die Pflegefamilie wechseln. Wie sich dieser Prozess im Detail ergibt ist wieder vom jeweiligen Einzelfall abhängig.

4. Kennenlernen der Kindeseltern

Soweit die Herkunftsfamilie zu einem gemeinsamen Gespräch bereit ist, führen wir die leiblichen Eltern und die Pflegefamilie zusammen. Wir möchten damit erreichen, dass die Kindeseltern sich vergewissern können, wer vorrübergehend oder auf Dauer ihr Kind betreut. Gleichfalls können Sie sich einen Eindruck verschaffen und natürlich Fragen zum Kind stellen (Was isst er/sie am liebsten? usw.).

5. Ersthilfeplan

Nun beginnt die Vollzeitpflege. Im Ersthilfeplan, an dem alle wichtigen Personen des Kindes teilnehmen (wie Eltern, Klassenlehrer, Therapeuten usw.) wird der aktuelle Entwicklungsstand des Kindes und die Situation seiner Eltern festgehalten. Gemeinsam werden Ziele gesetzt, die länger- oder kurzfristig erreicht werden sollen. Alle anderen wichtigen Ereignisse (z. B. Kontakte zu den Eltern, Einschulung usw.) werden ebenfalls geregelt.

6. laufende Hilfe

Von Beginn bis Ende der Vollzeitpflege werden Sie durchgehend von Ihrer Fachkraft betreut. Unsere Aufgabe ist es, Sie zu beraten und Ihnen die Unterstützung zu geben, die erforderlich ist um dem Pflegekind eine gute Perspektive zu bieten. Ebenfalls empfehlen wir Zusatzhilfen wie Therapien, Frühförderung usw. oder helfen bei aktuellen Herausforderungen und Krisen. Wir sind jederzeit für Sie ansprechbar. In einem sechsmonatigen Rhythmus wird der Hilfeplan fortgeschrieben. Wir prüfen gemeinsam, ob die gesetzten Ziele erreicht wurden, ob es neue Ziele geben muss und passen Rahmenbedingungen der aktuellen Situation an.

7. Ende der Vollzeitpflege

Da die Pflegefamilie eine der Hilfen zur Erziehung im SGB VIII darstellt, endet diese automatisch mit Eintritt der Volljährigkeit. Einige Pflegekinder benötigen dennoch weiterhin die Unterstützung von Pflegeeltern und Jugendamt. In diesen Fällen kann die Hilfe auf Wunsch des volljährigen Pflegekindes fortgeführt werden – dann aber max. bis zum 21. Lebensjahr. Generell sind wir bemüht den Pflegekindern notwendige Anschlusshilfen zu verschaffen, auch diese die außerhalb der Jugendhilfe erbracht werden, wie z. B. gesetzliche Betreuung, Unterstützungsformen für psychisch kranke Erwachsene usw..

Vergleich Pflegefamilie und Adoption

Auch wenn es zwischen Vollzeitpflege und Adoption eines Kindes viele Gemeinsamkeiten gibt, so bestehen große Unterschiede.

Dies beginnt schon bei den Zugangsvorrausetzungen: Auch in der Adoption wird ein natürlicher Altersunterschied zum aufnehmenden Kind empfohlen. Insgesamt sind die Anforderungen an Adoptivbewerber höher als für die Vollzeitpflege.

Während z. B. der „Beziehungsstatus“ der künftigen Pflegeeltern eher eine untergeordnete Rolle spielt, sind die rechtlichen Möglichkeiten für Eheleute ein Adoptivkind aufzunehmen wesentlich besser und damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Adoption. Bei nicht-ehelichen Paaren kann nur einer das Kind adoptieren. Insgesamt dauert das Bewerbungsverfahren in der Adoption etwas länger.

Für die jeweils aufgenommenen Kinder bestehen Unterschiede in ihrem rechtlichen Status: Ein Pflegekind bleibt immer Kind seiner leiblichen Eltern, behält somit auch deren Familiennamen. Bei der Adoption hingegen ist das Kind rechtlich nicht mehr mit seiner Herkunftsfamilie verwandt. Es übernimmt durch eine Adoption den Nachnamen der Adoptivfamilie.

Nach der Adoption üben Sie automatisch das volle Sorgerecht für Ihr Kind aus, während bei einem Pflegeverhältnis das Sorgerecht in der Regel in seiner Ursprungsform bestehen bleibt. Nur unter bestimmen Umständen kann das Sorgerecht in Teilen und ganz selten auch komplett entzogen werden. In diesen Fällen wird es auf einen Pfleger oder Vormund übertragen.

Die Aufnahme des Kindes erfolgt bei der Adoption bis zur Volljährigkeit, während bei Pflegekindern für die Dauer der Unterbringung das Hilfeziel ausschlaggebend ist. Dabei erhalten jedoch nur Pflegestellen regelmäßige Unterhaltsleistungen für ihr Pflegekind, denn Adoptiveltern sind als rechtliche Eltern unterhaltspflichtig.

Insgesamt sind die Anforderungen, die an die jeweiligen Familienformen gestellt werden, identisch. Im Wesentlichen betrifft dies die Persönlichkeit der jeweiligen Bewerber in Hinblick auf ihre Eignung ein fremdes Kind zu betreuen. Die Kinder müssen in jedem Fall in dem Wissen aufwachsen, dass sie zwei Familien (Eltern) haben. Sie haben ein Recht über ihre Wurzeln und ihren bisherigen Lebensweg altersentsprechend aufgeklärt zu werden und die eigene Geschichte auch zu erforschen. Hier gilt es zu bedenken, dass sich in beiden Formen die Kinder mit ihrem Status als Pflege- bzw. Adoptivkind auseinandersetzen müssen (und werden) und es damit zu identischen Konflikten und Krisen kommen kann. Dabei werden Pflegeeltern aktiv vom Jugendamt begleitet – das heißt unterstützt und beraten. Adoptiveltern können Beratung und Unterstützung beim Jugendamt in Anspruch nehmen, werden aber nur auf eigene Initiative begleitet.

Exkurs zum Sorgerecht bei Pflegekindern

Generell besteht die elterliche Sorge aus zwei Teilbereichen, der Personensorge und der Vermögenssorge.

Die Personensorge beinhaltet das Recht und die Pflicht, dass Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. Hierzu zählen somit alle sorgerechtlichen Entscheidungen über die persönlichen Verhältnisse des Kindes oder Jugendlichen, z. B.:

  • Bestimmung des Wohnortes bzw. Aufenthalts
  • Bestimmung der behandelnden Ärztinnen und Ärzte, sowie Behandlungsformen
  • Bestimmung über religiöse Angelegenheiten wie Taufe
  • Bestimmung über die Beschulung

Die Vermögenssorge hingegen umfasst das Recht, dass Vermögen des Kindes in Besitz zu nehmen und es zu verwalten. Hierzu zählen:

  • Eröffnung eines Girokontos
  • Annahme oder Abwehr von Erbschaften für die Minderjährigen

Das Sorgerecht ist dabei ein vom Grundgesetz geschütztes Recht der Eltern bzw. Elternteile, in das der Staat nur in Ausnahmefällen durch das Familiengericht eingreifen darf. Eine solche Ausnahme tritt dann ein, wenn Sorgerechtsinhaber ihr Sorgerecht nicht zum Wohle des Kindes oder Jugendlichen ausüben (z. B. Verweigerung einer notwendigen ärztlichen Behandlung). Diese Regelung ergibt sich aus dem § 1666 BGB, der es Jugendämtern ermöglicht, das Kindeswohl zu schützen, unter anderem auch mit einem Entzug oder Teilentzug des Sorgerechts. Generell können nur die Teile der elterlichen Sorge entzogen werden, die zum Schutz eines Minderjährigen benötigt werden. Verweigert z. B. eine Kindesmutter eine notwendige ärztliche Behandlung ihres Kindes, dann kann ihr das Jugendamt nicht Teile der Vermögenssorge entziehen.

Wird Kindeseltern das Sorgerecht komplett entzogen und auf das Jugendamt übertragen, dann spricht man von einer Vormundschaft. Betrifft der Entzug nur einzelne Teile, dann spricht man von einer Pflegschaft.

So kann es wahrscheinlich sein, dass für ein Pflegekind eine Amtspflegschaft oder auch eine Amtsvormundschaft besteht. Unabhängig von der Frage, wer die Sorge ausübt, haben Pflegeeltern kein Sorgerecht für ihr Pflegekind. Im Verlauf einer Vollzeitpflege kann sich eine Sorgerechtsübertragung auf Pflegeeltern jedoch entwickeln.

Pflegeeltern üben dennoch gemäß § 1688 BGB eine Entscheidungsbefugnis für den Alltag aus. Denn die elterliche Sorge umfasst nur „grundsätzliche Entscheidungen“, also jene, die eine entscheidende Auswirkung auf das Leben des Kindes oder Jugendlichen haben. Hat der Sorgerechtsinhaber beispielsweise eine Hausärztin oder einen Hausarzt bestimmt, muss die Pflegestelle nicht um Erlaubnis bitten, ihr Pflegekind wegen einer Erkältung dort behandeln zu lassen.

Im Regelfall erhalten Pflegeeltern eine Vollmacht durch die Herkunftsfamilie oder durch den Amtspfleger oder –vormund.